Eisbären Berlin: Die größte Krise seit vielen Jahren

Wie sich die Zeiten ändern. Vor einigen Jahren waren alle Eisbären-Fans zu dieser Zeit voller Vorfreude auf die bevorstehenden Playoffs. Man zählte die Tage herunter und schaute gespannt auf die Tabelle, wer denn unser Gegner im Viertelfinale werden würde. Man „verhöhnte“ die gegnerischen Fans von Mannschaften, die die Playoffs nicht erreichten mit dem Gesang „Wir spielen Playoffs und was macht Ihr über Ostern„. Heute schauen wir Fans auf die Tabelle und müssen um die erste Playoff-Runde fürchten. Wobei, will man sich wirklich eine Fortsetzung der Saison nach Ende der Hauptrunde antun? Um ehrlich zu sein, ich möchte das eigentlich nicht. Viel mehr würde ich mir wünschen, dass Schwenningen, Düsseldorf oder Iserlohn unsere Jungs noch einholen würden und wir damit keine erste Playoff-Runde erleben würden. Denn diese Saison kann man getrost abhaken und als Katastrophe abstempeln.

Dass die Mannschaft den Ernst der Lage verstanden hätte, dass sie unbedingt die letzten Punkte für Platz Zehn einfahren wollen würden, dass Alles hat man am Sonntagnachmittag in Wolfsburg nicht gesehen. Beim 1:7-Debakel zerfiel die Mannschaft förmlich in alle Einzelteile. Wobei man wohl nicht mehr von einer „Mannschaft“ reden darf, denn viel mehr sind das nur noch Einzelspieler, die da teilweise lustlos das Trikot mit dem Eisbären-Kopf über das Eis spazieren. Von Leidenschaft und Einsatz, von Kampfgeist und Wille keine Spur.

Dabei hatte man kurz noch einmal Hoffnung gehabt. Als man die Niederlagenserie am Mannheim-Wochenende beenden konnte und drei Punkte aus den beiden Spielen gegen die Kurpfälzer holte, dachte man, ja bitte, die Mannschaft lebt noch, sie hat den Ernst der Lage verstanden, sie hat bis zum Ende gekämpft und die Fans mit leidenschaftlichem Eishockey erfreut. Man hatte gehofft, dass dieses Wochenende mit den beiden Spielen gegen den Erzrivalen die Trendwende einleiten würde. Doch man sah sich getäuscht, es war nur ein kurzes Lebenszeichen der „Mannschaft“. Denn danach folgten zwei Siege in sechs Spielen. Und die Siege waren auch mehr verkrampft als dass sie überzeugend gewesen wären. 2:1 gegen Düsseldorf und 1:0 gegen Schwenningen. Wow, das waren große Eishockey-Abende, an die wir uns wohl noch lange zurückerinnern werden…

Nein, diese Eisbären machen keinen Spaß mehr. Selbst jetzt, wo man nach vielen Wochen mit argen Personalproblemen zu kämpfen hatte, endlich wieder einen kompletten Kader zur Verfügung hat, wird es nicht besser. Ja, in Augsburg hatte man sich genügend Chancen erspielt, aber was letztendlich zählt, ist das, was auf der Anzeigetafel steht. Und da stand eine 1:2-Niederlage. Die neunte Niederlage auf fremden Eis in Folge. Nummer Zehn folgte Sonntag beim Debakel in Wolfsburg. Zehn Auswärtsniederlagen in Folge für eine Mannschaft, wie es die Eisbären Berlin mal waren. Nur fünf Auswärtssiege in bisher 24 Auswärtsspielen, nur Iserlohn ist noch schlechter als die Eisbären.

Auch die einst so gefürchtete Offensive der Eisbären ist nicht mehr als ein laues Lüftchen. 110 Tore in 47 Spielen verbreiten nirgendwo Angst und Schrecken. Nur drei Mannschaften haben noch weniger Tore erzielt als die Eisbären. Meister München hat mal eben 55 Tore mehr erzielt als unsere Jungs. Aber wie will man auch Tore erzielen bei der Chancenverwertung der letzten Spiele. In den letzten vier Spielen erzielten unsere Jungs sage und schreibe vier Tore – in jedem Spiel genau eins. Chancen hatte man in diesen vier Spielen jede Menge, aber wenn man selbst bestmöglichste Einschussgelegenheiten nicht nutzen kann, dann kann man der Mannschaft nicht mehr helfen. Was z.B. ein Kyle Wilson in Nürnberg oder aber ein Laurin Braun in Augsburg an dicken Chancen vergaben, ist nicht mehr feierlich.

Aber es ist ja nicht nur die mangelnde Chancenverwertung in einigen Spielen. Es ist auch die fehlende Konstanz der Mannschaft, die es fast gar nicht geschafft hat, in dieser Saison mal konstant über 60 Minuten gutes Eishockey zu spielen. Mehr als zwei Siege am Stück gelangen der Mannschaft nicht einmal in dieser Saison. Einer Mannschaft, die als Ziel-Vorgabe hatte, unter den ersten Vier der Liga zu landen. Eine Mannschaft, der man zugetraut hat, um den Titel mitzuspielen (O-Ton Uwe Krupp). Diese Mannschaft dümpelt im unteren Tabellendrittel herum und muss mehr denn je um die erste Playoff-Runde zittern. Für uns Fans wäre ein Verpassen der Pre-Playoffs eine riesengroße Erleichterung, denn kaum einer hat mehr Lust auf eine Verlängerung dieser katastrophalen Saison. Denn man stelle sich nur mal vor, die Eisbären erreichen die erste Playoff-Runde und erreichen darüber das Viertelfinale und kommen vielleicht noch weiter. Schon würde man bei den Verantwortlichen wieder von einer guten Saison reden und es würde im Sommer nichts passieren. Der so lang erhoffte Umbruch würde wohl wieder verschoben werden. Nur gut, dass dieses Szenario nicht eintreten wird. Und nach dieser Saison muss der große Umbruch kommen. Er MUSS kommen.

Aber das man schon lange kein Spitzenteam der DEL mehr ist sondern stattdessen ein Dasein als Kellerteam fristet, daran ist man in Berlin selbst schuld. Man hat die damaligen Leistungsträger der Meister-Mannschaften mit langfristigen Verträgen ausgestattet, damit die Konkurrenz diese Top-Spieler nicht bekommt. Da hatte man aber leider bei den Verantwortlichen nicht weitergedacht, denn die Top-Spieler könnten ja durchaus auch mal in ein Leistungstief kommen und dann hat man diese ehemaligen Top-Spieler in seinem Kader und kann keinen Erfolg feiern. Man sieht ja, wohin man sich gebracht hat, mit dem ständigen verlängern von Verträgen. Ein Barry Tallackson spielt eine unterirdische Saison, auch ein Julian Talbot, Spencer Machacek oder Bruno Gervais hatten schon weitaus bessere Spielzeiten gehabt. Von Florian Busch, Laurin Braun, Constantin Braun oder Jens Baxmann will ich gar nicht sprechen. Die einstigen Youngsters der Berliner sollten nach den Abgängen der damaligen Leistungsträger wie Walker, Pederson, Ustorf, Beaufait und Co. in deren Fußstapfen treten. Diese erwiesen sich als zu groß und Leistungsträger sind aus denen nicht wirklich geworden. Aber wer will es ihnen verübeln, die Jungs sind einfach satt nach den vielen gewonnenen Meisterschaften. Aber da hätte das Management handeln müssen und diese Spieler gegen neue, hungrige Spieler austauschen müssen. Das hat man seit Jahren verpasst und bekommt nun in den letzten Spielzeiten die Quittung dafür.

Die Transfers der letzten Jahre waren auch nicht mehr so gut wie früher, wo Manager Peter John Lee immer wieder ein gutes Händchen bewies. In den letzten Jahren griff Lee immer wieder mal daneben. Und die erst letzte Woche verpflichteten Charles Linglet und Louis-Marc Aubry werden diese Saison jetzt auch nicht mehr zum Besseren wenden. Aubry sitzt ja derzeit mehr auf der Strafbank und verursacht Gegentore als dass er hilft. Aber den Beiden kann man nun wirklich keinen Vorwurf machen. Die Eisbären haben es einfach vor der Saison verpasst, sich bestmöglich für die Saison aufzustellen. Der Kader war einfach zu dünn besetzt, war nicht dafür ausgelegt, längere Verletzungen vieler Spieler aufzufangen. Die Youngsters, die dann eingesprungen sind, haben ihre Sache ordentlich gemacht, aber sie können Leistungsträger nicht gleichwertig ersetzen. Uwe Krupp hatte das vor der Saison angesprochen, dass er noch Neuzugänge möchte, bekam diese aber nicht, weil Peter John Lee und Stefan Ustorf den Kader für ausreichend empfanden.

Was man an Goalie Petri Vehanen hat, merken die Eisbären jetzt mehr denn je. Der finnische Goalie fällt derzeit verletzungsbedingt aus und wird von den jungen Marvin Cüpper und Maximilian Franzreb ersetzt. Die beiden sind aufstrebende Talente, können Vehanen aber natürlich noch nicht das Wasser reichen. An den vielen Gegentoren zuletzt trifft sie nicht wirklich eine Schuld. Aber die Eisbären merken jetzt, wie viele Punkte Vehanen den Eisbären eigentlich ermöglicht hat. Wenn Vehanen früher ausgefallen wäre, wer weiß, ob die Eisbären jetzt nicht sogar das Tabellenende zieren würden. Es ist durchaus denkbar.

Einige Fans singen bei manchen Spielern noch immer gerne „Die ganze Liga fürchtet unser Team, wir sind die Macht im Land Eisbären Berlin„. Dieser Gesang kann für die nächsten Jahre in die Schublade gelegt werden, denn die Zeiten, in denen die Liga uns fürchtete, sind längst vorbei. Was die Auswärtsdebakel der Saison beweisen – 1:7 in Ingolstadt, 1:6 in Nürnberg, 1:7 in Wolfsburg. Man ist fast wieder da, wo man vor ewigen Zeiten mal war. Man wird immer mehr zur Schießbude der Liga. Die Mannschaften freuen sich viel mehr darauf, gegen die Eisbären zu spielen, als dass sie sich fürchten würden. Weil jede Mannschaft in dieser Saison weiß, wenn es gegen die Eisbären geht, kann man sich große Chancen auf Punkte ausrechnen.

So weit ist es also schon gekommen, dass sich die Gegner auf Spiele gegen die Eisbären freuen. Früher waren die Eisbären gefürchtet, da waren sie das dominierende Team der Liga. Das spielte aber auch noch eine Mannschaft mit vielen Leistungsträgern zusammen, die geschlossen für den Erfolg kämpfte. Und manchmal auch über die Schmerzgrenze hinaus ging. Die diesjährige Mannschaft zeichnet sich viel mehr durch Einzelspieler aus, als Mannschaft tritt diese Mannschaft nur selten auf. Auch wenn man immer vorgibt, zu wissen, woran es liegt, dass man Spiele verloren hat. Den vielen Worten hat man zu selten Taten auf dem Eis folgen lassen. Aber zu oft mangelnde es dem gesamten Eisbären-Team (inklusive Trainerstab) an der richtigen Wahrnehmung. Da wurden Spiele schön geredet und als Erfolg gewertet, wo sich so mancher Fan an den Kopf fasste und fragte, welches Spiel die da gesehen haben. Natürlich kann man in einem darauffolgenden Spiel nicht viel ändern, wenn man das vorhergehende Spiel als gut bewertet obwohl es sowas von grausam war. Bestes Beispiel war jetzt erst kürzlich André Rankel, der zum zweiten Drittel in Wolfsburg meinte, man war da die bessere Mannschaft. Ja, man hatte zwar mehr Chancen als Wolfsburg aber die machten aus ihren wenigen Chancen zwei Tore und die Eisbären nur eins. Vielleicht sollte man sich nach so einem Debakel nicht hinstellen und die guten Dinge raus picken sondern einfach mal zugeben, wie grottenschlecht die Leistung war. Aber so lange die Eisbären das nicht zugeben, denken sie wahrscheinlich auch noch an eine erfolgreiche Saison in den Playoffs. Dass sie sich in der größten Krise der letzten Jahre befinden, scheint ihnen nicht bewusst zu sein.

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Ein Kommentar

  1. Leider spiegelt dieser Beitrag voll das wieder was man an jedem Eistag dieser Saison so erleben musste. Das einzige was ich noch einzubringen hätte wäre Chancentod 24.Leider nur noch ein Schatten früherer Jahre und auch mitzuzählen im Reigen der Totalausfälle. Ansonsten wie immer super analysiert und rüber gebracht.
    Lese ich immer wieder gerne

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