6:5 n.V. nach 1:4-Rückstand! Die Eisbären erst katastrophal, dann aber mit großer Moral

Diese beiden Mannschaften können wohl nicht anders, als den Zuschauern Spektakel zu bieten. Im letzten Aufeinandertreffen in der Hauptstadt setzten sich die Grizzlys Wolfsburg in Berlin mit 6:5 n.P. durch, heute Nachmittag revanchierten sich die Eisbären mit einem 6:5-Sieg n.V. (1:4,2:0,2:1/1:0) vor 3.344 Zuschauern in der Eisarena Wolfsburg. Dabei erwischten die Hauptstädter aber einen denkbar schlechten Start und lagen nach den ersten 20 Minuten bereits mit 1:4 hinten. Danach fingen sie aber an, zu ihrem Spiel zu finden und drehten die Partie am Ende doch noch und sicherten sich zwei enorm wichtige Punkte im Kampf um die direkten Playoff-Plätze. 

Bei den Eisbären Berlin fehlte heute Kapitän André Rankel verletzungsbedingt. Für ihn rückte Youngster Thomas Reichel, der Bruder von Senkrechtstarter Lukas Reichel, in den Kader und bildete mit den beiden anderen Youngster Sebastian Streu und Fabian Dietz die vierte Reihe der Berliner. Im Tor bekam erneut Sebastian Dahm den Vorzug vor Maximilian Franzreb.

Beim letzten Aufeinandertreffen in Berlin fielen satte zehn Tore in 65 Minuten plus einer im Penaltyschießen, welches Wolfsburg am Ende für sich entschied und somit das Spiel in der Hauptstadt mit 6:5 n.P. gewann. So ein Spiel wollte man aus Berliner Sicht nicht noch einmal erleben, weshalb Trainer Serge Aubin vor dem Spiel im Interview bei Magenta Sport sagte:

Wir müssen 60 Minuten fokussiert sein. Wenn wir den Puck haben, müssen wir gutes Hockey spielen.

Taten sie nur nicht. Das Spiel begann ohne wirklich nennenswerte Chancen. Zwar überbrückten beide Teams schnell die neutrale Zone und brachten die Scheiben Richtung Tor, aber für Gefahr sorgten beide damit nicht. Wolfsburg wirkte aber von Beginn an spritziger und wacher als die Eisbären. Und dieser Eindruck sollte sich auch schnell bestätigen.
Top-Scorer Anthony Rech fuhr ungestört rum ums Berliner Tor, legte die Scheibe hoch Richtung blaue Linie, wo Dominik Bittner stand. Der Verteidiger zog direkt ab und die Scheibe flog an Freund und Feind vorbei ins Berliner Tor – 0:1 (6.).
35 Sekunden später kassierte eben jener Bittner auch die erste Strafzeit der Partie. Störte Wolfsburg aber nicht. Die Niedersachsen mit einem ganz starken und vor allem sehr aggressiven Forechecking, erkämpften sich damit die Scheibe im Berliner Drittel, weil sie die Eisbären zum Fehlpass zwangen. Spencer Machacek scheiterte noch an Sebastian Dahm, Louis-Marc Aubry bekam die Scheibe nicht aus der Gefahrenzone und Mathis Olimb staubte eiskalt ab – 0:2 in Unterzahl, nur 59 Sekunden nach dem 0:1 (7.).
Aber die Berliner sollten ihre Überzahl doch noch nutzen. Mark Olver brachte die Scheibe in den Slot zu PC Labrie, welcher den Puck schnell weiterspielte zu Austin Ortega und der hämmerte das Spielgerät in die Maschen – 1:2, 51 Sekunden nach dem 0:2 (8.).
Dieser Treffer sollte den Hauptstädtern doch nun das nötige Selbstvertrauen geben, dachte man jedenfalls. So war es aber nicht. Wolfsburg legte schnell nach. Alexander Johannson konnte ohne größere Probleme durch das Angriffsdrittel der Berliner spazieren, spielte den Puck vor das Tor, wo Christopher Casto noch an Dahm scheiterte, aber Garrett Festerling per Nachschuss erfolgreich war – 3:1 (9.).
Das ging teilweise einfach zu schnell für die Berliner, die vollkommen überfordert waren und einen Fehler nach dem anderen machten. Aber man hatte dann doch noch eine gute Chance, doch Ortega scheiterte am Pfosten.
Wolfsburg im Anschluss noch einmal mit einem Powerplay, aber das Penaltykilling der Berliner mit richtig guter Arbeit. Dafür mit schlechter Arbeit bei gleicher Spieleranzahl. In der 19. Spielminute klingelte es zum vierten Mal im Tor von Sebastian Dahm. Die Scheibe wurde von den Wolfsburgern von der blauen Linie Richtung Tor gebracht, Ryan McKiernan fälschte die Scheibe noch ab, aber Sebastian Dahm konnte diesen Schuss parieren. Aber auch nicht festhalten und Valentin Busch staubte eiskalt ab – 1:4. Damit war dann dieses Horror-Drittel aus Berliner Sicht auch beendet. Und Verteidiger Florian Kettemer mit seinem schonungslosen Statement im Interview bei Magenta Sport:

Wir sind einfach zu weit weg von unseren Männern, sind nicht in unserem System und das wird eiskalt bestraft. Wir waren einfach unkonzentriert und wenn wir das nicht abstellen, kann es ganz böse heute werden.

Zu Beginn des zweiten Drittels wechselte Serge Aubin seinen Torhüter aus. Maximilian Franzreb hütete von nun an das Tor für Sebastian Dahm, dem ich definitiv nicht die Hauptschuld an den vier Gegentoren gebe. Ja, er lässt viel prallen, was nicht gut ist. Aber zu den Chancen hat man Wolfsburg auch eingeladen und gute Verteidiger sorgen dafür, dass man keine Nachschüsse vom Gegner zulässt. Das war aber nicht der Fall bei den Eisbären.
Das zweite Drittel begann aus Sicht der Eisbären nicht so gut, denn Jeff Likens mit einem harten Check gegen Leo Pföderl, der erst einmal vom Eis musste. Dafür gab es von den beiden Hauptschiedsrichtern keine Strafe, was kurze Zeit später dafür sorgte, dass die Eisbären noch vollkommen aufgebracht zwei Strafzeiten kassierten und fortan mit zwei Mann weniger auf dem Eis waren. Doch Wolfsburgs Christopher Casto machte dieses doppelte Powerplay nur 43 Sekunden später zu Nichte und sorgte dafür, dass die Eisbären nach Ablauf der beiden Strafen selbst ein Überzahlspiel hatte. Aber da klappte es dieses Mal nicht für die Berliner.
Mitte der Partie hatten dann die Hauptstädter mal zwei Mann mehr auf dem Eis und das Powerplay war heute eine richtige Waffe. Ryan McKiernan mit dem klasse Pass von rechts oben runter an den linken Pfosten zu Austin Ortega, welcher die Scheibe direkt rüber an den rechten Pfosten spielte, wo Marcel Noebels lauerte und zum 2:4 verkürzen konnte (30.).
Die doppelte Überzahl wurde also genutzt und 35 Sekunden später auch die einfache. Florian Kettemer wurde an der blauen Linie angespielt, fuhr in Position, schaute, sah, das viel Verkehr vor Chet Pickard war und zog ab. Mit Erfolg, der Puck flog an Pickard vorbei ins Tor – 3:4 (30.). Das erste Saisontor der Nummer 69.
Beide Mannschaften fortan noch mal mit je einem Powerplay, wobei das Berliner für etwas mehr Gefahr sorgte, aber es sollte kein Tor dabei herausspringen. Die Eisbären hatten sich dank eines starken Mitteldrittels zurück ins Spiel gekämpft, hatten noch weitere gute Chancen und somit war die Hoffnung groß, dass man das Spiel im letzten Drittel sogar noch komplett drehen könnte.

Und ins Schlussdrittel starteten die Berliner gleich sehr engagiert und hatten bereits in der ersten Minute zwei richtig gute Möglichkeiten. Aber hinten waren sie weiterhin nicht frei von eigenen Fehlern. Constantin Braun vertändelte vor dem eigenen Tor die Scheibe, Anthony Rech kam so frei vor Franzreb zum Abschluss, aber der Berliner Goalie parierte diesen Versuch der Hausherren.
Es ging nun hin und her. Auf der einen Seite scheiterte Austin Ortega an Chet Pickard, auf der anderen Seite traf Valentin Busch nur die Latte. Mit der nächsten Chance klingelte es dann aber im Wolfsburger Tor und die Eisbären kamen verdient zum Ausgleich. Leo Pföderl tankte sich klasse durch, wurde beim Abschluss noch gestört, weshalb eine Strafzeit angezeigt wurde. Pickard ließ den Schuss von Pföderl zur Seite prallen und da stand Marcel Noebels goldrichtig und glich mit seinem 12. Saisontor (persönlicher Rekord!) zum 4:4 aus (46.).
Vorne eiskalt, aber hinten folgte der nächste Fehler. Mathis Olimb war diesmal der Nutznießer, welcher frei vor Franzreb zur Chance kam, aber ebenfalls am deutschen Goalie scheiterte. Und praktisch erneut im Gegenzug gingen die Berliner tatsächlich erstmals an diesem Nachmittag/frühen Abend in Führung. Constantin Braun mit dem Querpass an der blauen Linie auf Jonas Müller, der mit dem Onetimer, in den PC Labrie seine Kelle rein hielt und die Scheibe unhaltbar für Pickard abfälschte – 5:4 (48.).
Die Eisbären danach weiter schwung- und druckvoll, Wolfsburg wirkte von der Rolle. Aber die Niedersachsen sollten trotzdem noch zum Ausgleich kommen. Bully im Drittel der Eisbären, welches Wolfsburg gewann. Jeff Likens zog von der blauen Linie ab, vor dem Tor fälschte Gerrit Fauser die Scheibe so ab, dass sie vor Franzreb aufsprang, durch seine Stockhand flutschte und letztendlich Richtung Torlinie hoppelte und diese auch überquerte – 5:5 (53.).
Dieser Treffer gab den Hausherren noch einmal neuen Mut und so entwickelte sich ein munteres Hin und Her in den letzten Minuten. Beide wollten nun den Dreier und hatten auch die Chance dazu. Jonas Müller mit dem nächsten leichtfertigen Scheibenverlust, Anthony Rech schon wieder frei vor Franzreb, welchen er ausspielen wollte, aber er schoß knapp am Berliner Tor vorbei. Auf der Gegenseite die Eisbären mit einem 2-auf-1-Konter, Landon Ferraro auf Maxim Lapierre, welcher aber beim Abschluss gestört wurde und deswegen den Puck übers Tor setzte. Es blieb also beim 5:5 und erneut ging es bei diesem Spielstand wie zuletzt in Berlin in die Verlängerung.

Damals gab es den „Penalty-Skandal„, wo Marcel Noebels sein Penaltytreffer nach Ansicht des Videobeweises aberkannt wurde. Einen Tag später wurde von der DEL dann die Regel geändert, nach welcher der Treffer jetzt zählen würde. Wolfsburg verwandelte im Anschluss den entscheidenden Penalty und holte sich den Zusatzpunkt. Auch heute gab es wieder einen Videobeweis in der Verlängerung, wieder nach einem Berliner Tor und dieses Mal wurde der Treffer aber gegeben. Landon Ferraro zog vor das Tor, Ryan McKiernan stocherte nach und kam zum Schuss, scheiterte aber am Pfosten. Maxim Lapierre sah die Scheibe und drückte sie über die Linie – 6:5 nach 41 Sekunden in der Verlängerung!

Mal wieder ein Spiel mit den zwei Gesichtern der Eisbären Berlin. Ein katastrophales erstes Drittel, in dem man überhaupt nicht anwesend war, sich zu viele Fehler erlaubte und Wolfsburg so zu den Chancen und Toren einlud. Man hatte nicht aus den letzten Spielen gelernt, man hatte das Vorhaben, über 60 Minuten konzentriert zu spielen und an der Defensive zu arbeiten mal wieder nicht umgesetzt. Erst ab dem zweiten Drittel sah man wieder das starke Gesicht der Eisbären, welche sich jede Menge Torchancen erspielten und diese auch eiskalt nutzten und so das Spiel am Ende noch drehten und in der Verlängerung sogar gewannen. Dazu trug auch ein bärenstarkes Powerplay bei, in welchem die Eisbären heute drei Treffer erzielten. Und trotzdem hatte man auch in den letzten beiden Dritteln so manchen Bock dabei und lud Wolfsburg zu Chancen ein, immer wieder tauchte so ein Wolfsburger Spieler frei vor Maximilian Franzreb auf.
Immerhin stimmte die Moral und der Einsatz ab dem zweiten Drittel, aber dennoch kann das nicht der Anspruch der Eisbären sein, immer nur ein (gegen Düsseldorf) oder zwei gute Drittel (in Wolfsburg) zu spielen. Das geht nicht immer gut und wenn man es nicht langsam hinbekommt, über 60 Minuten konzentriert zu spielen und sich ans System zu halten, wird man auf Dauer nicht erfolgreich sein. Dass sie es können, beweisen sie immer wieder. Woran es dann aber liegt, dass man immer solche Aussetzer und katastrophale Drittel bei hat, das wissen wohl nur die Spieler. Gibt es da vielleicht ein Kopfproblem, ein Motivationsproblem? Braucht man immer erst einen Rückstand und ein oder zwei schlechte Drittel, um dann endlich mal anzufangen, starkes Eishockey zu spielen? Die Jungs sollten dringend an ihrer Einstellung arbeiten und von der ersten Sekunde an so spielen, wie im letzten Drittel gegen Düsseldorf am Donnerstag und wie in den letzten beiden Dritteln heute in Wolfsburg.

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