
„Wir wollen etwas Spezielles erschaffen, auf dass das deutsche Eishockey stolz sein kann!“
„Jetzt beginnt eine neue Zeitrechnung!“
Manager Christian Winkler und Trainer Pierre Pagé nahmen den Mund ziemlich voll, wenn sie über die Zukunft des neuen EHC Red Bull München sprachen. München, der Stadt der Champions, wie sie sagten, da könne man nicht Durchschnitt sein.
Ein Grund mehr, sich diesen Club einmal genauer anzuschauen:
Im Mai 2012 war der EHC so gut wie tot, der finanziell in Schieflage geratene Verein stand vor dem Lizenzentzug. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte man kein Interesse am Eishockey und ließ den Club in puncto Werbekooperation im Regen stehen. Schließlich hatte man ja diesen großartigen Fußballclub. München war eben noch nie eine Eishockeystadt.
Die derzeitigen Zuschauerzahlen zeigen das. Nur 15.597 Besucher in fünf Heimspielen, durchschnittlich 3.199, das ist Platz 13 in der Zuschauerrangliste der DEL. Zum Vergleich: Die Fußballer locken ca. 69.000 Menschen bei ihren Heimspielen ins Stadion.
Für die Saison 2012/13 konnte man schließlich den Brausehersteller Red Bull als Sponsor gewinnen. Die Million Euro rettete dem Totgeglaubten das Leben. Mit mittelmäßigem Erfolg beendete man die Saison.
Was der Grund für das plötzliche Engagement von Red Bull war, weiß nur Dietrich Mateschitz höchstselbst. Mit einem Etat von 13 Millionen machte er den EHC über Nacht zur Eisprinzessin und zum Titelfavoriten. Allein 6 Millionen Euro sollen im Spieleretat stecken. Im Vergleich dazu sind Vereine wie die Eisbären (4,8 Mio.) und die Adler Mannheim (4,7 Mio.) kleine Fische.
Red Bull ist nicht bekannt dafür, halbe Sachen zu machen. Zum Fußball, Formel1 und anderen Extremsportarten kommt nun also Eishockey hinzu. Weil das Team standesgemäß präsentiert werden soll, wurde die alte Olympia-Eishalle für 3 Millionen Euro umgebaut und modernisiert, bis 2018 soll eine neue Multifunktionshalle für 10.000 Zuschauer fertiggestellt sein.
Mit dickem Portemonnaie ging man also einkaufen. Ganz oben auf der Liste standen Spieler mit NHL-Erfahrung. Namen wie Darren Haydar, Nick Palmieri, Jon DiSalvatore und Matt Smaby werden dem einen oder anderen geneigten Hockeykenner bekannt sein. Insgesamt 23 neue Spieler landeten im Körbchen, nur 6 Mitglieder des alten Kaders durften bleiben, u.a. Goalie Jochen Reimer. Für die Plätze hinter der Bande wurde ebenfalls gesorgt. Pierre Pagé löste Pat Cortina ab und übernahm mit Assistent Helmut de Raaf den Posten des Cheftrainers.
„Nur die, die vor der Meisterschaft Angst haben, reden nicht darüber.“ Pagé hat definitiv keine Angst. Er will ein neues sehr offensives Spielsystem einführen, ein „No-Position-Eishockey“, alle Spieler sollen alles spielen. Er will spielen wie Brasilien und Barcelona, will nicht zurückweichen. In nur drei Jahren soll die erste Meisterschaft gefeiert werden, obwohl für ihn auch schon in dieser Saison ein Sieg möglich wäre. „Jeder muss, wenn er aufsteht, sagen: Ich will es besser machen als gestern.“ Mit dieser Einstellung kam Pagé 2002 nach Berlin. Die Szene damals war die gleiche wie heute in München. Er brauchte 3 Jahre, bis zum ersten Titel.
„Der Bulle muss von Anfang an seine Hörner zeigen, sonst sind seine Worte nur Bullshit!“
So eröffnete man die Spiele gleich mit Siegen gegen die Hamburg Freezers und Düsseldorf. Das ließ aufhorchen und sich auf das freuen, was da noch kommen würde. Leider kam einige Tage später gegen Wolfsburg und Ingolstadt erstaunlich wenig, was Pierre Pagé auf die Ablenkung durchs Oktoberfest schob. Nach einer kräftigen Standpauke riss man sich am Riemen und dann lief es. Mit stabilen Leistungen etablierte man sich im Mittelfeld der Tabelle.
Bis zu jenem unsäglichen letzten Wochenende. Null Punkte, null Tore.
„Wir haben die Schnauze voll!“ Die Nordkurve hatte keinen Spaß an diesem Sonntagnachmittag. Die Fans sangen es immer wieder und man verlor gegen die Haie mit 0:3. Es waren aber nicht die Fans, die es einbrockten, das machten die Profis ganz alleine. Der EHC hatte sich unterirdisch schlecht präsentiert. Allerdings nicht so schlecht wie zwei Tage zuvor in Mannheim, wo man mit 9 Gegentreffern sang- und klanglos unterging und sich als besonders schlechter Verlierer zeigte. Die Münchner waren frustriert und wenn schon ihr Spiel keinen Eindruck machte, so sollten das ihre Fäuste übernehmen. Als sich schließlich Sean O´Connor auf Nikolai Goc stürzte, ihn schlug und würgte, war das Maß voll.
Pierre Pagé hat die Erwartungen hochgeschraubt. Jetzt läuft es nicht, die Leistungen der Starspieler bleiben hinter den Erwartungen zurück, und man fragt sich nicht nur in München, warum er an seinem speziellen Spielsystem festhält.
„München soll eine Weltmacht im Eishockey werden. Wer den FC Bayern mag, der wird auch uns mögen.“
Nur, wer zum Geier mag den FC Bayern?