Vor zwei Jahren waren sie ganz nah dran. Es war ein schweres Spiel, mit harten Checks, vielen Torschüssen und Kampf, denn keiner wich zurück. Ein Treffen der Eliteclubs der DEL – Meister gegen Meister. Nach 40 Minuten führte Mannheim mit 3:2, nach 44 Minuten mit 4:2, nach 46 Minuten mit 5:2. Dass Berlin zehn Sekunden später zum 5:3 traf, tat der Stimmung in den Rängen und auf dem Eis keinen Abbruch. Auf der Spielerbank lag man sich bereits siegestrunken in den Armen. In den Katakomben wurden gut gekühlte Champagnerflaschen von ihren Korken befreit, der Pokal ein letztes mal auf Hochglanz poliert und für die Übergabe bereitgestellt.
„Wir holen die Meisterschaft!“
Die Fans feierten den kommenden Meister, daran zweifelte jetzt keiner mehr.
Und dann: 48. Minute, 5:4, 54. Minute, 5:5 und schließlich stand TJ Mullock nach drei Minuten und 26 Sekunden der Verlängerung am rechten Torpfosten und drückte den Puck über die Linie. Jetzt sang keiner mehr. In der Halle herrschte Totenstille, nur von den oberen Rängen her jubelten die Berliner Fans. Irgendwie wusste jeder, auch Trainer Harold Kreis, dass hier Mannheims Traum von der Meisterschaft endete.
Für die Saison 2012/13 hatte man sich einiges vorgenommen. War man zuvor nur knapp im Finale gescheitert, sollte jetzt der große Wurf gelingen. Die Mannschaft wurde kaum verändert, nur punktuell verstärkt.
Die European Trophy war eine Enttäuschung, von acht Spielen wurden nur drei gewonnen. Die Unsicherheit verflog aber mit dem Beginn der DEL-Punkterunde. Die Adler starteten mit Vollgas, gewannen ihr erstes Spiel und fertigten gleich im zweiten Spiel den Meister Berlin mit 6:1 ab. Als dann Ende September wegen des Streiks vier NHL-Legionäre das Ruder übernahmen, waren sie kaum noch zu stoppen. Ein Sieg nach dem anderen wurde eingesackt. Der neue Traumsturm Pominville, Hecht und Goc zauberten was das Zeug hält. Mit dem Ende des Lockouts kamen Anfang Januar mit Ullmann und Magowan zwei wichtige Akteure zurück. Und schien alles so weiterzulaufen, die Adler gewannen. Wenn auch nicht mehr sonderlich furios, auch ein Arbeitssieg ist ein Sieg. Immer offensichtlicher wurden die Abschlussschwächen der Stürmer, die für ein Tor einen immer größeren Aufwand betreiben mussten. Am Ende wurden die Adler zwar Punkteerster, aber gegen die großen Teams aus Berlin und Köln hatte man keine positive Bilanz. Bei den wichtigen Spielen konnte man nicht dominieren.
Trotzdem war man zufrieden mit sich selbst, sprach vom Playoff-Halbfinale, gar vom Finale. Kein Zweifel, diesmal würde es klappen. Den ersten Gegner, die Grizzly Adams aus Wolfsburg nahm ohnehin niemand so richtig ernst. Bis man sich im ersten Playoff-Spiel binnen 5 Minuten den sicher geglaubten Sieg aus den Händen nehmen ließ. Der Anfang vom Ende.
Zwar siegten die Adler im zweiten Spiel in Wolfsburg, doch irgendwie war man noch nicht in der Serie angekommen. Was sich rächen sollte, denn die Grizzlys siegten in den Spielen 3 und 4 und hatten dann drei Matchbälle. Richtig wach wurden sie erst in Partie fünf, die sie gewannen und in Partie sechs, in der Wolfsburg siegte und die Adler in die Sommerpause schickte. Die Adler spielten extrem schwache Playoffs. Den Spielern fehlte es an mentaler Stärke, die es braucht, um Champion zu werden. Und dem Trainerpersonal fehlten die Ideen für Überraschungen und die Fähigkeit zu motivieren.
Und dennoch. Man schaffte es, hungrige Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, ins Team zu integrieren. Die stärksten Spieler in den Playoffs waren meist junge Eigengewächse wie Frank Mauer und Matthias Plachta. Mannheim gehört zu den Top-Teams der Liga. Nicht nur sportlich, sondern auch von den Zuschauerzahlen her.
Die Saison 2013/14 wurde schon früh als Schicksalssaison für Trainer Harold Kreis ausgerufen.
Das „Problem Kreis“ bestand darin. Dass es einen über alle Maßen verdienten Spieler Kreis gab, der 19 Jahre lang den letzten Schweißtropfen für seinen Klub opferte und mit der Meisterschaft 1997 seine Karriere beendete. Der Name Kreis stand als Synonym für DAS Mannheimer Eishockeydenkmal.
Die Vorfreude auf die neue Saison wurde immer noch vom frühen Ausscheiden gegen Wolfsburg überschattet. Ein Teil der Anhängerschaft hatte Harry Kreis als Schuldigen erkannt und forderte seinen Rücktritt. Die teilnehmenden Spieler jedoch blieben verschont. Schon in den Vorsaisonspielen wurde eines klar: die Mannschaft war für Siege verantwortlich, der Trainer für die Niederlagen.
Betrachtet man die 6000 verkauften Dauerkarten für diese Saison, fühlte sich die schweigende Mehrheit trotz des verpassten Meistertitels gut unterhalten. Denn erfolglos war Kreis keineswegs. Das Management stellte sich hinter den Trainer und man einigte sich auf ein offensiveres Eishockeyspiel, auf mehr Halligalli und eine schnellere Spielweise. Wie Kreis das umsetzen sollte, blieb offen. Eishockey ist auch eher keine Sportart, bei der die Entscheidungen per Stuhlkreis bei Kaffee und Kuchen stattfinden.
Von 10 Spielern verabschiedete man sich im Zuge der Umorientierung. So ging Yannic Seidenberg nach München, Niklas Deske und Adam Mitchell nach Hamburg.
Der Verknappung guter, bezahlbarer Spieler durch die Öffnung des schwedischen Spielermarkts, kam man mit rechtzeitigen, vor allem mehrjährigen Verpflichtungen deutscher Spieler wie Kai Hospelt, Christopher Fischer und Martin Buchwieser zuvor. Die Verträge von ins neue Schema passenden Spielern wie Florian Kettemer, Frank Mauer, Matthias Plachta, Marc El Sayed, Ronny Arendt und Kapitän Marcus Kink wurden verlängert. Nur vier Kontingentspieler blieben im Team. Von den Kontingentspielern blieben Steve Wagner, Jamie Sifers, Ken Magowan und Yannick Lehoux. Etwas später kamen noch Jon Rheault und Mike Vernace dazu. Der Topzugang ist natürlich Jochen Hecht. Er begann seine Karriere in Mannheim und kehrte nun als zukünftiger Leitwolf und Ideengeber, nach 833 NHL-Spielen und 463 Scorerpunkten zurück.
Der Jahreswechsel war die Zeit, um Geschehenes Revue passieren zu lassen und die Zukunft zu planen. Die Adler versprachen sich von der Verpflichtung Kreis‘ die siebte Meisterschaft. Über die Attraktivität vieler Heimspiele gab es trotz Bemühungen keine zwei Meinungen. Vor und während der letzten Malaise mit fünf Niederlagen verwickelte sich der Trainer in Widersprüche. Überlegtes Handeln ging ihm vor Aktionismus, er scheute das Risiko, um Erfolg zu erzwingen. Kreis wollte es jedem Recht machen und beförderte einzelne Spieler in Rollen, die sie nicht verdienten. Früh standen die Zeichen auf Abschied, spätestens zum Saisonende. Öffentlich wurde jedoch nichts derartiges geäußert, weil man nicht signalisieren wollte, die Saison sei für Spieler und Trainer bereits abgehakt.
„Es war alles schlecht heute Abend inklusive Coaching Staff!“
Während der Pressekonferenzen nach den Niederlagen gegen Iserlohn und Wolfsburg nahm Harold Kreis kein Blatt vor den Mund. Seine Mannschaft erschien unvorbereitet und gleichgültig. Nur die Goalies Endras und Brückmann, enttäuschten ihn nicht. Kreis stellte klar, dass die Außendarstellung einiger Spieler ein krasses Missverhältnis zu ihrer Darbietung auf dem Spielfeld zeigt, dass nicht er auf dem Eis steht, und das Team nur 25 Prozent seines Leistungsvermögens abruft. Im Gegensatz dazu mangele es dem Team nicht an Überheblichkeit. Kreis nannte Ross und Reiter. Die Zeiten, in denen er sich öffentlich vor seine Spieler stellte, waren vorbei. Er hatte Geduld bewiesen, doch es lag einfach an der Einstellung einiger Protagonisten. Ein Abgang auf den Spuren Trapattonies. Respekt, Herr Kreis!
Am 31.12.2013 entließen die Adler Mannheim Trainer Harold Kreis und Co-Trainer Mike Schmidt.
Als neuer Spielleiter wurde nur einen Tag später Urgestein Hans Zach präsentiert. Nur vorübergehend, bis zum Saisonende, wie der inzwischen 64-Jährige betonte, wollte er sich wieder hinter die Bande stellen. Eigentlich hatte er sich nach dem überraschenden Titelgewinn mit den Hannover Scorpions 2010 zur Ruhe gesetzt, doch diese Aufgabe reizte ihn so sehr, dass er nicht lange überlegen musste. Zach will seiner Linie in Mannheim treu bleiben. Er gilt als „harter Hund“ und kompromissloser Trainer. Die Mannheimer Anhängerschaft zeigte sich begeistert vom neuen Übungsleiter und bereitete ihm einen standesgemäßen Empfang. Knapp 600 Fans kamen zum ersten Training und begrüßten ihn mit tosendem Applaus.
Hexen kann ein Herr Zach auch nicht. So kassierten die Adler zum Einstand trotz deutlich besserer Leistung, eine unnötige Niederlage. Doch zeigte der Neu-Trainer seine Zähne, er sortierte den Stürmer Yannick Lehoux bis zum Ende der Saison aus.
Die Zeit für Hans Zach ist begrenzt. Ein Dutzend Spiele bleiben dem neuen Trainer noch, um seine Jungs auf die Playoffs vorzubereiten. Bis es dann ans Eingemachte geht, heißt es aber die nötigen Punkte zu holen und das Zach´sche System zu vermitteln. Auch wenn das Ergebnis momentan fast zweitrangig ist, der Entwicklungsprozess steht im Vordergrund.